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Blogeinträge (Tag-sortiert)
Tag: Schule Bildungspolitik
Das Martensteinexperiment
Harald Martenstein hat im heutigen Tagesspiegel einen sehr interessanten Artikel zur Bildungspolitik veröffentlicht, den ich zur Lektüre im Original empfehle, aus dem ich hier auszugweise zitiere und dem ich eigene Kommentierung kursiv zusetze.
Harald Martenstein: Experimente am lernenden Objekt
Meine Eltern haben mich aufs Gymnasium geschickt, sie hatten beide kein Abitur
...
Natürlich gab es soziale Selektion. Sie bestand aber nicht darin, das diese Gymnasium keine Arbeiterkinder aufgenommen hätten. Sie bestand darin, dass wenige Arbeitereltern es wagten dort anzuklopfen.
...
Das Gymnasium, das ich mir vorstelle ist offen für alle Begabten, es schaut auf die Intelligenz und nicht die Abstammung- Aber es fordert auch Leistung. Jeder soll seine Chance auf Bildung bekommen, aber er muss sie auch nutzen.
...
Alle Bildungsreformen, die von dem verantwortungsbewussten Teil der Elternschaft erwarten, dass sie etwas anderes tun als das, was sie für das Beste für ihre Kinder halten, sind zum Scheitern verurteilt.
....
Fast alle Eltern wissen, dass in einer Schulklasse nicht die Schwachen den Ton angeben, die Braven, die Streber mit den gemachten Hausaufgaben, sondern die scheinbar Starken und Lauten... Fast alle Lehrer wissen, dass zwei oder drei sogenannte schwierige Schüler das Lernklima einer ganzen Klasse ruinieren können. Es ist nicht so, dass die schwierigen Schüler.... von den anderen lernen und sich den anderen anpassen würden. Eher ist das Gegenteil richtig.
Auf diese falschen Grundannahme - die schwierigen Schüler lernen von denen, die keine Schwierigkeiten machen - basiert die gesamte heutige Bildungspolitik. Fast alle Bildungspolitiker und die meisten Bildungsexperten sind genau dieser Ansicht, deshalb sollen die Kinder möglichst lange gemeinsam unterrichtet werden.
Was sagt uns das über diese B-politiker und B-experten: sie sind finstere Ideologen! Liegt es vielleicht daran, dass sie mit ihren Quatsch-Massnahmen versuchen, von ihrer Unfähigkeit die Ressourcen zusammen zu kratzen, die gebraucht werden, ablenken wollen. Oder sind sie wirklich alle noch befangen in einer Klassenkampfdenkweise des frühen 20.Jahrhunderts, die meint, die höheren Klassen, wollen sich gegen Aufsteiger aus dem Proletariat zur Wehr setzen und nur ihre eigenen Kinder schlau werden lassen, während die andern unten malochen dürfen. Diese Denkweise ist doch von vorgestern. Heute braucht ein Land alle seine geistigen Reserven, aber darum scheint sich niemand zu scheren.
Statt die vorhandenen guten Schulen endlich zu stärken, mehr Schüler, mehr Lehrer, mehr Förderung, machen die Reformer den guten Schulen das Leben schwer und erfinden ständig etwas Neues.
...
Die zweite falsche Grundannahme der heutigen Bildungspolitik lautet: Mit der Bildungspolitik, ganz allein mit ihr, lassen sich gesellschaftliche Probleme lösen. In Wirklichkeit sind die Schulen damit überfordert... Eine gute Schule...kann und soll vor allem eines leisten, sie kann den Schülern etwas beibringen. Vielleicht schafft sie es auch, Persönlichkeiten zu formen und eine Lust am Lernen zu vermitteln, die lebenslang anhält....Wenn die Schule die frühe Erziehungsarbeit nachholen soll, die in vielen Elternhäusern nicht mehr getan wird, wenn sie grundlegende Sprachkenntnisse, motorische Fähigkeiten und soziale Grundkompetenzen vermitteln und womöglich sogar Kriminalitätsprävention leisten soll, dann handelt es sich um eine Schule neuen Typs, die völlig anders ausgestattet sein muss, als die Schulen die wir kennen.
Es ist zweifelhaft, ob man Kinder, die mehr oder minder in asozialem Niveau aufwachsen überhaupt noch für einen anderen Weg gewinnen kann, trotzdem sollte man genau über diese Frage nachdenken: wie schafft man eine Schule in der Kinder mit asozialer Herkunft und Lebensgeschichte zu vernünftigen Menschen gemacht werden? Wie kann man diese Frage aber beantworten, wenn man sie ja nicht mal deutlich aussprechen darf?
.....
Wenn das deutsche Bildungssystem heute nicht einmal mehr in der Lage ist, jedem Lesen und Schreiben beizubringen, dann hängt das nicht in erster Linie mit diesem System zusammen, sondern damit dass Bildung für 10 oder 15 % der Bevölkerung objektiv wertlos geworden ist. Es gibt für sie keine Chancen. Früher musste man als Arbeitsloser lesen können, um sich nicht zu langweilen, auch das ist dank des Fernsehens nicht mehr nötig...
Ich glaube nicht, dass die Bildung für einen Teil der Bevölkerung objektiv wertlos geworden ist; richtig ist, dass es so erscheint und dass diese Erscheinung schwer zersetzend wirkt. Aber in Wirklichkeit gibt es nicht nur Chancen, sondern es gibt immer mehr Chancen, je mehr Leute danach suchen: Wir stehen vor der Herausforderung eine geistig dynamische bildungsgestützte mobile Informations- und Industriegesellschaft des 21. Jahrhunderts zu schaffen, dafür haben wir nicht zu viele sondern zu wenige Leute. Ausser wirklicher Doofheit, darf es da gar keine Ausreden geben nicht mitzumachen.
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Jetzt wird die Hauptschule abgeschafft, aber die Hauptschüler kann man nicht abschaffen... Sie haben nichts zu verlieren und nichts zu gewinnen. Sie werden ihre Hoffnungslosigkeit und ihre berechtigte Wut in die ehemaligen Realschulen tragen...
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Diese Wut wird die eigentlichen gesellschaftlichen Konflikte der nächsten Jahrzehnte befeuern, denn wir werden uns kein Prekariat leisten können, das dauerhaft auf einem fröhlichen Brot-und-Spiele Niveau verharrt.
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Ich habe keine Lösung , aber ich ahne, dass man sie nicht findet, indem man an unserem Schulsystem herumbaut... Wenn es nicht einmal genug einfache oder handwerkliche Arbeit mehr gibt, für die vielen, die... für andere Arbeit ungeeignet sind, wie soll das Leben dann aussehen? Ist es gut sie mit zwanzig Jahren zu lebenslänglichen Frührentnern zu machen, auf niedrigem finanziellen Niveau, oder hat diese Gesellschaft ihnen vielleicht doch etwas Besseres zu bieten? Wer diese Fragen beantworten kann, der hat auch die deutsche Bildungskrise gelöst.
Ich denke, das Problem liegt nicht in der fehlenden Arbeit, sondern daran, dass durch einfache Arbeit nicht viel mehr zu erlösen ist, als durch HartzIV. Also ist ein Kernpunkt der Lösung, dass es Geld nur gegen Arbeit gibt. D.h. Keiner wird für's Nichtstun bezahlt, aber jeder hat Anrecht auf Arbeit für die er einen Mindestlohn bekommt, dazu wird man Beschäftigungs- und Ausbildungsgesellschaften schaffen müssen. Erst dann wird man sehen, wer mit dem Leben auf niedrigem Niveau zufrieden ist, und wer dann plötzlich feststellt, dass er vielleicht doch mehr will und mehr erreichen kann.
Meister 10.01.2010, 19.50 | (0/0) Kommentare | TB | PL